Intuitiv vegan – geht das?
Kann man vegan leben, und gleichzeitig intuitiv essen? Obwohl Veganismus mit dem Verzicht auf tierische Produkte einhergeht, und somit die Lebensmittelauswahl einschränkt?
Ob „intuitiv & vegan“ zusammenpasst hängt, in erster Linie von den Motiven ab, weshalb man sich für eine vegane Lebensweise entscheidet. Der Großteil der Veganer:innen verzichtet aus ethischen und ökologischen Gründen auf tierische Lebensmittel und weitere Formen der Ausbeutung von Tieren wie z.B. für Kleidung (Leder etc.), Unterhaltung (Zirkus etc.), im Tierversuch getestete Kosmetik etc. Das heißt, die meisten Veganer:innen leben „für die Tiere“ und „für unseren Planeten“ vegan. Diese Gruppe der ethisch und ökologisch motivierten Veganer:innen lebt nicht vegan, um sich selbst einzuschränken, sondern um nach ihren Werten (z.B. Gewaltlosigkeit und Mitgefühl) zu leben. So die ursprüngliche und am häufigsten vertretene Idee des Veganismus. Nun gibt es aber leider auch Menschen, die unter dem Deckmantel des Veganismus versuchen, ihre Lebensmittelauswahl einzuschränken, um z.B. abzunehmen.
Warum ist es so wichtig, diese Gruppen zu unterscheiden?
Um die Frage, ob vegan und intuitiv zusammen passen, beantworten zu können. Denn für ethisch und ökologisch motivierte Veganer:innen kann vegan und intuitiv sehr gut Hand in Hand gehen. Vegan zu leben kann sogar Ausdruck der eigenen Intuition sein. Viele Menschen, vor allem jene, die sich mit der Herstellung tierischer Produkte bereits auseinandergesetzt haben, ernähren sich (überwiegend) pflanzlich, weil sie dabei ein besseres Bauchgefühl haben.
Für jene, die tierische Lebensmittel meiden, weil sie so beispielsweise eine Gewichtsreduktion erreichen wollen, ist es wichtig zu verstehen, dass Veganismus keine Diät zum Abnehmen ist, sondern eine Lebensweise, die per Definition (Vegan Society, 1988) versucht, Tierleid zu vermeiden.
Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass, wenn sich vegan für uns richtig anfühlt, der Verzicht auf tierische Produkte keine Einschränkung darstellt. Wir verbieten uns dann nämlich Fleisch, Fisch, Milch/-produkte, Eier etc. nicht, sondern wir wollen sie nicht konsumieren, um die Ausbeutung von fühlenden Lebewesen nicht zu unterstützen.
Wie kann intuitiv vegan aussehen?
Vegan ist der ethische Rahmen, in dem intuitive Essensentscheidungen getroffen werden können. Das heißt, dass es keine verbotenen Lebensmittel gibt. Tierische Produkte sind nicht verboten, sondern werden aus ethischer Überzeugung abgelehnt. Alle pflanzlichen Lebensmittel werden abwechslungsreich und intuitiv ausgewählt. Vollwertige Lebensmittel wie Getreide, Erdäpfel, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte (Erbsen, Linsen, Bohnen,..), Sojaprodukte (Tofu, Sojamilch/-joghurt), Nüsse und Samen sollten die Basis einer ausgewogenen veganen Ernährung darstellen, um den Körper mit Nährstoffen zu versorgen. Auch unsere Seele will versorgt werden, deshalb können beispielsweise verarbeitete Lebensmittel wie vegane Alternativprodukte (z.B. Käse- & Fleischalternativen), Süßigkeiten und Knabbereien in kleinen Mengen die Lebensmittelauswahl ergänzen – sie sind nicht verboten.
Das wichtigste ist, dass sich deine Ernährungsweise für DICH richtig anfühlt!
Aus gesundheitlicher Sicht ist es empfehlenswert, überwiegend pflanzenbasiert zu essen (mehr Ballaststoffe, weniger gesättigte Fettsäuren etc.). Aber ob du dich zu 100% pflanzlich, sprich vegan, ernährst, ist eine ethische Entscheidung, die sich für dich stimmig anfühlen soll :)
Wie ich aus dem Bauch heraus Veganerin wurde
Dass es normal, natürlich und notwendig sei, Fleisch, Milch und Eier zu essen, war für mich selbstverständlich. Fragen wie „Warum töten und essen wir Tiere, obwohl wir nicht darauf angewiesen sind?“ und „Warum nehmen wir Mutterkühen ihre Kälber weg, um ihre Muttermilch trinken zu können, obwohl wir auch ohne Milchprodukte genug Calcium aufnehmen können?“ habe ich mir lange nicht gestellt. Und obwohl meine Großeltern einen Bauernhof hatten, wusste ich nicht, warum Kühe Milch geben. „Die Milch kommt von der Kuh“ so steht es schon im Kinderbuch. Dass Kühe wie auch alle anderen Säugetiere, nur dann Milch geben, nachdem sie Nachwuchs geboren haben, wurde mir erst klar, als ich mich dazu informiert habe. Die Tatsache, dass der Kuh ihr Kalb weggenommen wird, damit wir ihre Muttermilch im Supermarkt kaufen können, hat bei mir einen Stein ins Rollen gebracht. Ich habe gespürt, dass es sich für mich mit diesem Wissen einfach nicht mehr richtig anfühlt, all diese Grausamkeiten zu unterstützen, indem ich tierische Lebensmittel kaufe und esse. Ich möchte im Einklang mit meinen Werten (und dazu gehört der liebevolle Umgang mit allen fühlenden Lebewesen) leben. Mir ist das Wohl der Tiere wichtiger als „normal“ zu sein. Das war für mich damals mit etwa 19 Jahren, ein Alter, wo man „dazugehören“ möchte, ein großer Schritt. Auch hier gibt es eine Verbindung zu meiner Intuition, denn dieses Bedürfnis „genauer hinzuschauen“ kam bei mir völlig aus dem Bauch heraus.
Auch meine Eltern und Freund:innen waren damals vorerst überrascht von meiner Idee. Doch ich wurde nicht von heute auf morgen Veganerin. Ungefähr ein Jahr lang habe ich schon deutlich gespürt, dass es sich für mich nicht gut anfühlt, tierische Lebensmittel zu essen, weil ich weiß, dass sie mit Leid verbunden sind. Dennoch dachte ich, es wäre „zu extrem“ vegan zu leben und hatte Angst vor all den Meinungen, Reaktionen und der Kritik meiner Mitmenschen. Ich mache nicht gern Umstände und im Mittelpunkt stehen und mich für meine Entscheidung rechtfertigen ist auch nicht so meins. So kam es dazu, dass ich zwar „immer wenn es einfach war“ (v.a. zuhause) vegan gegessen habe, aber sobald ich dafür meine Comfortzone verlassen hätte müssen, doch Omas Kuchen mit Eiern gegessen habe. Es hat sich jedes Mal falsch für mich angefühlt und ich wusste ganz genau, dass ich es „nur für die anderen“ mache. Doch ich habe meine Intuition ignoriert, um z.B. Oma nicht zu enttäuschen, wenn ich ihren Kuchen nicht esse. Mittlerweile bringe ich meiner Oma gern ein Stück veganen Kuchen mit und sie liebt ihn.
Meine Entscheidung vegan zu leben, hat mich definitiv auch als Mensch wachsen lassen. Ich habe gelernt, für mich einzustehen, auch wenn es bequemer ist, mit dem Strom zu schwimmen und „das zu essen, was alle anderen auch essen“. Aber gerade beim Erklären, warum ich das mache, habe ich sehr viel (und hoffentlich auch die anderen :)) gelernt. Ich bin mir bewusster über meine eigenen Werte geworden und auch darüber, wie ich sie in allen meinen Lebensbereichen ausleben möchte, wer ich sein möchte. Da gehört neben dem „wie möchte ich, dass Tiere behandelt werden“ auch „wie möchte ich mit der Natur, meinen Mitmenschen und auch mir selbst umgehen“ dazu.